Hallo und willkommen zur 2. Episode des „Wegs der Stoa“. Nachdem wir in der letzten Episode als Start in den Podcast eine Passage von Marc Aurel gelesen haben, möchte ich heute in die Geschichte der Stoa einsteigen. Diese Reise wird uns wahrscheinlich 2 – 3 Episoden lang beschäftigen. In dieser Episode möchte ich Dir über einen kleinen Abriss des griechischen Denkens in der Antike aufzeigen, in welchen gedanklichen Raum die Stoa trat, als sie durch Zenon von Kition, ihrem Gründer im ausgehenden vierten Jahrhundert v. Chr., entwickelt wurde. Hierbei wird hoffentlich deutlich werden, dass die Stoa nicht im luftleeren Raum entstanden ist. Last but not least, möchte ich bei dieser Betrachtung auch einen Blick auf den geschichtlichen Kontext werfen, in dem die Stoa entstanden ist, da aus meiner Sicht, dieser Kontext die Entwicklung der Schule stark beeinflusst hat. Wir werden auf dieser Reise vielen Namen und Ideen begegnen und ich sage gleich, keine Angst, die muss man sich nicht alle auf einmal merken, aber mit der Zeit werden uns der eine oder andere Akteur und die mit ihm verbundenen Ideen immer vertrauter werden. Ich erinnere in diesem Kontext auch noch einmal daran, dass eine schriftliche Version dieses Podcast auf www.Weg-der-stoa.de zu finden ist.

Unsere Geschichte beginnt im letzten Drittel des vierten Jahrhunderts v. Chr. genauer gesagt in den 30er Jahren des vierten Jahrhunderts vor Christus. Wie müssen wir uns diese Zeit vorstellen? Die Perserkriege der Griechen liegen schon über 150 Jahre zurück. Die klassische Glanzzeit Athens unter Perikles und der Peloponnesische Krieg liegen gut hundert Jahre in der Vergangenheit. In der Zwischenzeit hat sich das im nördlichen Griechenland liegende Makedonien zu einer echten Macht unter ihrem Herrscher Phillip II., dem Vater Alexander des großen entwickelt. Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.) selbst begann gerade seinen Persienfeldzug und begründete in nur zehn Jahren ein Weltreich, welches eine Ausdehnung erreichte, die die Welt zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen hatte. Es reichte von Griechenland bis nach Afghanistan und Indien im Osten. In seiner Nachfolge wird dieses Reich in einzelne Königreiche unter der Herrschaft seiner ehemaligen Generäle (den „Diadochen“) zerfallen. Das Gebiet des ehemaligen Reichs wird aber einen hellenistischen Kulturraum etablieren in dem Griechisch als Lingua Franca gesprochen werden wird. Das Zeitalter des Hellenismus war geboren, welches erst durch das Auftauchen und Eindringen Roms gut 300 Jahre später endgültig beendet werden wird.

Philosophie, im griechischen Sinne, existierte zu diesem Zeitpunkt bereits seit mindestens 300 Jahren. Angefangen hatte dabei alles mit Personen wie Thales von Milet (624/23 – 548/544 v. Chr.) und seiner ionischen Schule der Naturphilosophie. In ihr wirkten Personen wir Anaximander und Anaximenes, welche sich alle mit der Frage beschäftigten, wie die Welt auf eine natürliche Art und Weise zu erklären sei. Hier traten zum ersten Mal Elemente der Vier-Urstoffe-Lehre der griechischen Naturphilosophie, namentlich Wasser, Luft, Erde und Feuer auf, welche aber erst gut 100 Jahre später durch Empedokles von Agrigent (495 – 435 v. Chr.) ihre volle Formulierung fand. Die Vorstellung, dass allen physikalischen Phänomenen diese vier Urstoffe zu Grunde liegen, werden wir später in veränderter Form auch bei den Stoikern in ihrer Physik wiederfinden.

Gut 50 Jahr später hatte der auf Samos geborene Pythagoras von Samos (570 – 510 v. Chr.) in Süditalien seine Schule gegründet und in die Philosophie unter anderem den Gedanken eingeführt, dass die Mathematik die Struktur der Natur beschreiben könne. Es verwundert daher nicht, dass man ihm auch den erstmaligen Gebrauch des Wortes Kosmos zur Beschreibung eines geordneten Weltganzen zugeschreibt. Ein Begriff, der für die Stoa von zentraler Bedeutung sein wird. Pythagoras wird auch die Einführung des Begriffes der Philosophie zugeordnet, da er nach Aussagen von Zeitgenossen gerne den Unterschied zwischen einem Weisen („sophos“) und einem Weisheitsfreund („philosophos“) betonte und sich dabei als Letzterer verstand.

Noch gut 50 Jahre später wirkte Heraklit von Ephesos (520 – 460 v. Chr.). Er galt in der Antike schon als der „Dunkle“, da er in Fragmenten geschrieben und seine Lehre dadurch einen schwer verständlichen Charakter besessen hatte. Nichtsdestotrotz hatte sein Denken einen wichtigen Einfluss auf die Stoa. Er entwickelte als erster den Gedanken, dass das Feuer als gestaltendes Prinzip im Kosmos wirke. Mit diesem Gedanken verbunden führte er auch den Begriff des Logos zur Beschreibung dieses gestaltenden Prinzips ein. Dieser Logos, der bei ihm eine für die meisten Menschen verborgene Weltordnung repräsentierte, wird in der Stoa zu einem der Ausgangspunkte ihres Denkens werden. Feuer verstanden als aktives und gestaltendes Prinzip im Kosmos, ist damit auch sehr viel mehr als der Urstoff bei Empedokles. Heraklit war es auch, der die Welt in einem Zyklus des Werdens und Vergehens sah, welcher sich immer wiederholt. Ein Gedanke der ebenfalls in der Kosmologie der Stoa unter dem Namen Weltenbrand („Konflagration“) seinen Platz finden wird.

Parallel zu Heraklit wirkte Parmenides von Elea (520/515 – 460/455 v. Chr.) dessen Heimat ebenfalls im südlichen Italien lag und dessen Schule unter dem Namen der „Eleaten“ große Berühmtheit erlangte. Er hatte die Frage aufgeworfen, ob der im Alltag beobachtbare Wandel, genauso wie die Vielfalt in der Welt, nur eine Illusion seien und in Wirklichkeit nur ein unveränderliches Eines existiere, welches keinen Anfang und kein Ende und auch keine Veränderung kenne. Dieser etwas seltsam anmutenden Gedanke, wurde von einem seiner bedeutendsten Schüler, Zenon von Elea (490 – 430 v. Chr.), in seine berühmten Paradoxien über Bewegung („Achilleus und die Schildkröte“ oder „das Pfeilparadox“) und Vielheit („Argument der endlichen Größe“ und „Argument der vollständigen Teilung“) übersetzt. Die Paradoxie der Vielheit wendet sich dabei gegen den Gedanken, dass es in der Welt getrennte Einheiten geben könne, da zwischen diesen dann ein Drittes, welches die anderen beiden trenne, existieren müsse. Als Alternative wäre nach ihm nur ein direkter Kontakt oder aber ein leerer Raum zwischen den Körpern vorstellbar. Der leere Raum wurde von ihm hierbei aber abgelehnt, da er einem Nicht-Sein entspräche und damit nicht existieren könne. Insbesondere letztere Gedanken wurden im Denken der Stoa aufgegriffen. Hierbei hat die Stoa sowohl den Gedanken des direkten Kontaktes von Körpern als auch die Möglichkeit der Leere in ihr Denken aufgenommen und sich damit gegen die Ansichten der Eleaten gestellt. Eine andere Reaktion auf das Denken Parmenides und der aus seinem Denken heraus aufgekommenen Probleme zeigt sich im Denken von Leukipp, einem Schüler Parmenides. Leukipp und sein Schüler Demokrit entwickelten die Theorie des Atomismus, welche postuliert, dass die Welt aus leerem Raum und Materie besteht, um sowohl die Vielfalt der Erscheinungen als auch die Bewegung von Körpern erklären zu können. Materie besteht hierbei aus ihrer Sicht aus Atomen (von griechisch „atomos“ – unteilbar), welche sich erratisch in der Leere des Raums bewegen und durch Kollisionen miteinander verbinden. Diese gedankliche Lösung der von Parmenides aufgeworfenen Probleme wurde zur Zeit der Stoa dann von zwei anderen, ebenfalls berühmten, Schulen aufgegriffen, und zwar der Schule des Epikur und der Pyrrhonischen Skepsis, welche beide über die Zeit ihres Bestehens bzw. ihres Einflusses immer wieder mit ihrem Denken im Konflikt mit der Schule der Stoa stehen werden.

Wir befinden uns in unserer kleinen philosophischen Zeitreise mit Demokrit bereits in der Zeit des Sokrates, doch bevor wir den Schritt hin zum „Gottvater der Philosophie“ machen, müssen wir noch einen anderen Denker erwähnen, der noch eine Generation vor Sokrates agierte und zum einen die Philosophie nach Athen brachte und zum anderen in seinem Denken versuchte, die Philosophie des Heraklit mit dem Denken der Schule des Parmenides (den Eleaten) zusammenzubringen. Der Name dieses Denkers ist Anaxagoras (499 – 428 v. Chr.). Er wurde in Kleinasien geboren, ging aber gegen 462 v. Chr. nach Athen und wurde dort für seine Lehren sehr berühmt. Er verkehrte regelmäßig mit dem berühmten athenischen Staatsmann Perikles, dem er als Berater und Lehrer diente. Er führte wohl auch den bekannten athenischen Dichter Euripides (der Autor der Stücke Elektra, Medea und anderen war) in das philosophische Denken ein. Anaxagoras lebte während seiner Schaffenszeit damit in der Zeit der voll entwickelten attische Demokratie. Er wurde aber 430 v. Chr. wegen Gottlosigkeit angeklagt und nachfolgend verbannt. Er starb drei Jahre später im Exil. Seine Schriften wurden trotzdem weitergelesen und sollen auch Sokrates stark beeindruckt haben.

Das Denken Anaxagoras war dadurch gekennzeichnet, dass er zum einen davon ausging, dass es eine Substanz gibt, welche aus unterschiedlichsten kleinen Bestandteilen besteht, welche unvergänglich sind, da nichts aus nichts entstehen kann (Parmenides lässt grüßen). Er glaubte weiterhin, dass diese Bestandteile aber so komplett miteinander gemischt sind, dass es keinen Raumabschnitt gibt, in dem man diese isoliert vorfinden kann. Ein Gedanke, den die Stoa mit ihrem Konzept der totalen Mischung in ihrer Physik wieder aufgreifen wird. Neben diese Substanz stellte Anaxagoras eine Art zweites Prinzip, den Weltgeist „Nous“, welcher für die Bewegung und die abgesonderten Formen im Kosmos verantwortlich sei (Heraklits Logos lässt grüßen). Ebenfalls ein Gedanke, welcher in der Lehre der zwei Prinzipien (aktives Prinzip und passives Prinzip) in der Stoa als grundlegender Denkansatz aufgegriffen werden wird. Darüber hinaus erklärte Anaxagoras das Zusammenwirken des Weltgeistes mit der gemischten Ursubstanz als hinreichend zur Erklärung der Struktur des Kosmos, worin sich die Stoiker mit ihm einig gewesen wären. Er verband in seinem Denken hiermit also sowohl Ideen aus dem Denken Heraklits (das gestaltende Feuer und der Logos) sowie Gedanken aus der Schule der Eleaten (unvergängliche Bestandteile der Materie). Mit diesen Gedanken war endgültig der Boden für das physikalische Weltbild der Stoa bereitet.

Hiermit ist jetzt aber auch der Boden für Sokrates (469 – 399 v. Chr.), den „Gottvater“ der Philosophie bereitet. Er wirkte ca. 60 Jahre vor der Gründung der stoischen Schule in Athen und machte Athen für die nächsten gut tausend Jahre zum Zentrum der antiken Philosophie.  Sokrates selber hat keine Schriften hinterlassen und ist uns damit nur über die Schriften seiner Schüler bekannt. Die wichtigsten Quellen sind in diesem Zusammenhang die wundervollen Dialoge von Platon sowie einige Schriften von Xenophon. Sokrates war dafür bekannt, dass er über den Markplatz lief und Menschen in ihrem Alltag ansprach und sie zu philosophischen Fragestellungen befragte. So soll er Xenophon in einer Gasse begegnet sein und ihn zunächst gefragt haben, wo man diverse Lebensmittel kaufen könne. Nachdem dieser ihm geantwortet hatte wo man dies machen könne, fragte Sokrates ihn dann, ob er denn dann auch wüsste, wo Menschen edel und tüchtig werden könnten. Sokrates Anliegen in dieser Art von Befragung, der ihm begegnenden Menschen, war es, sie zu Wissen und Einsicht darüber zu führen, dass sie ihr Leben auf unsicheres Wissen gründen. Mit Hilfe dieses sokratischen Gesprächs und seiner darin angewandten Gesprächstechnik, der „Maieutik“ (griechisch für Hebammenkunst) zielte Sokrates also darauf ab, dass seine Gesprächspartner auf selbständige Art und Weise zu Einsichten in den Dialogen mit ihm geführt würden.

Über Sokrates Lehren im engeren Sinne ist viel geschrieben worden und vieles ist auch wieder in Zweifel gezogen worden. In seinem Werdegang wird aber typischerweise seine frühe von seiner späteren Schaffensphase unterschieden. In seiner frühen Phase soll Sokrates eher an der Naturphilosophie interessiert gewesen sein. So wird in einem Stück des Aristophanes („Die Wolken“) ein Philosoph Sokrates belächelt, welcher seinen Kopf immer in den Wolken hätte und sich nur mit nicht alltagstauglichen Dingen beschäftige. Der spätere Sokrates unterscheidet sich vom frühen dahingehend, dass er in dieser Phase seines Schaffens sein Interesse komplett den Fragen der Vernunft, der Erkenntnistheorie und Ethik zugewandt hat. Man spricht hier auch von der sokratischen Wende. Zusätzlich hat sich Sokrates in seinem konkreten Tun auch sehr stark mit der Frage der Anwendbarkeit der Philosophie im Leben, also der Frage nach der richtigen Lebensführung und der Tugend, beschäftigt. In der Literatur spricht man daher auch davon, dass Sokrates die Philosophie aus dem Himmel in das Leben der Menschen geholt hat. Ein Aspekt in der Philosophie Sokrates, welcher die Stoa in besonderem Maße inspiriert hat und die Frage der gelingenden Lebensführung zum zentralen Fokus ihrer Philosophie machte.

Sokrates hatte neben Platon und Xenophon noch fünf weitere bedeutende Schüler, namentlich Antisthenes, Aristippus von Kyrene, Euklid von Megara, Aischines und Phaidon von Elis. Von diesen gründeten Platon, Anthistenes, Aristippus von Kyrene und Euklid von Megara eigene Schulen.

Sokrates bekanntester Schüler Platon (428/427 – 348/347 v. Chr.) gründete seine Schule, die Akademie, gut 50 Jahre vor Gründung der Stoa. Sein Schaffen und seine Lehre ist in Form seiner umfangreichen Dialoge überliefert worden und beeindruckte schon in der Antike durch ihren Umfang und die Schönheit ihrer Sprache. Platon gilt im Vergleich zu Sokrates eher als systematischer Denker, welcher mit seiner Philosophie des Guten und der damit verbundenen Formenlehre, eher auf die Dinge hinter den konkreten Alltagsdingen schaute. Von großer Bedeutung war seine Theorie der Psyche, welche er sich als dreigeteilt in die Aspekte der Triebe, des Eros oder Antriebs und der Weisheit vorstellte. Verbunden mit dieser Aufteilung entwickelte er auch das erste Konzept einer Tugendethik, welche die Beschaffenheit der Psyche mit den vier Kardinaltugenden der praktischen Weisheit („phronesis“), der Mäßigung („sophrosyne“), des Mutes („andreia“) und der Gerechtigkeit („dikaiosyne“) verband. Die ersten drei Tugenden bezogen sich in diesem Bild auf die drei Anteile der Psyche, wobei die praktische Weisheit, die Weisheit, die Mäßigung die Triebe und der Mut sich auf den Eros bzw. die Antriebe bezogen.  Die Gerechtigkeit bestand in ihrem Wesen in diesem Bild in der guten Balance zwischen den drei Bestandteilen der menschlichen Psyche. Die Stoa wird den Gedanken, dass die Struktur der Psyche mit den Tugenden verknüpft ist, aufgreifen, aber eigene Wege gehen. Sie wird die Triebe neben die rationale Psyche des Menschen stellen und eine eigene kognitive Emotionstheorie sowie eine Theorie der Tugenden entwerfen, welche sich am Bild des stoischen Weisen orientieren wird und nach der Tugendhaftigkeit sich auch darüber ausdrückt, dass man keine negativen Emotionen mehr in seinem Leben erlebt.

Neben seiner Schulgründung hat Platon viele Reisen nach Italien und insbesondere nach Syrakus durchgeführt und war hier auch in politische Experimente involviert, in denen er allerdings erfolglos versuchte, seine philosophischen Gedanken in der Politik in Syrakus zur Anwendung zu bringen.

Die Tradition der systematischen Philosophie setzte sein wichtigster Schüler Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), der Lehrer Alexander des Großen wurde, fort. Er betrachtete dabei aber nicht mehr, wie sein Lehrer Platon, die Dinge hinter den Dingen als die wesentlichen Aspekte des Seins sondern versuchte viel mehr, in empirisch beobachtender Art und Weise die Strukturen des Kosmos zu entschlüsseln. Aristoteles gilt durch diese Bemühungen als Begründer wichtiger systematischer sowie empirischer Disziplinen wie z. B. der Wissenschaftstheorie, der Logik, der Biologie, der Ethik und der Staatstheorie. Er entwickelte in seinen ethischen Schriften auch eine eigene Tugendethik, welche die Stoa aber kritisierte, da Aristoteles als Voraussetzung für ein gelingendes Leben, neben der Tugend auch ein Mindestmaß an körperlicher Gesundheit, Wohlstand und Erziehung als notwendig erachtete. Eine Voraussetzung, welche die Stoa in ihrer rigorosen Tugendorientierung ablehnen wird.

Aristoteles trat 367 v. Chr. in die Akademie Platons ein und verließ sie 20 Jahre später nach Platons Tod im Jahre 347 v. Chr.. Nach dem Austritt aus der Akademie verließ er auch Athen und wurde 343 v. Chr. der Lehrer Alexander des Großen im Königreich Makedonien. Aristoteles kehrte 335 v. Chr. nach Athen zurück und gründete dort seine eigene Schule, das Lykeion. 323 v. Chr. musste er Athen, wegen politischer Spannungen erneut verlassen und starb kurz darauf in Chalkis auf der griechischen Insel Euböa.

Neben den beiden großen systematischen Philosophieschulen gründeten, wie oben schon erwähnt, auch drei weitere Schüler des Sokrates eigene Schulen. Der bedeutendste von diesen war sicherlich Antisthenes (445 – 365 v. Chr.), welcher in sokratischer Tradition eine Schule gründete, welche sich sehr darauf fokussierte, die richtige Lebensform zu finden und zu leben. Aus Sicht des Antisthenes bestand diese Lebensform aus Bedürfnislosigkeit und absoluter Fokussierung auf die Tugenden. Seine Schule wurde Kynismus genannt. Der Name leitete sich dabei ursprünglich vom Kynosarges her, einem Athener Gymnasium, in dem Antisthenes unterrichtete. Später scheint aber auch eine Verbindung zum altgriechischen Wort für Hund („kyon“) von den Athenern etabliert worden sein, da die Kyniker oft bettelarm und ohne Achtung von Konventionen in den Straßen lebten. Sein bedeutendster Schüler war Diogenes von Sinope (413 – 323 v. Chr.), welcher in Athen und Korinth lebte und der Diogenes war, der auf dem Marktplatz in einer Tonne lebte und mit einer Laterne tagsüber über den Marktplatz ging und sagte, dass er Menschen suche. Sein Schüler Krates von Theben (365 – 285 v. Chr.) wurde später der erste Lehrer Zenons von Kition, dem Gründer der Stoa.

Neben Antisthenes gründete auch Aristippus von Kyrene (genannt Aristipp) (435 – 355 v. Chr.) eine eigene Schule, die Schule der Kyrenaiker, die die echte „Sex, Drugs und Rock’n Roll“-Schule der Antike war (ja genau, es war nicht Epikur über den wir später noch etwas hören werden). Aristipp übernahm von Sokrates zwar die Fokussierung auf die innere Unabhängigkeit im Leben, er verband diese aber mit der Ansicht, dass die körperlich vermittelten Lüste das höchste Gut im Leben seien.

Die letzte Schule im Anschluss an Sokrates war die eher kleine Schule der Megarer (gegründet von Euklid von Megara (450 – 368 v. Chr.), welche sich in der Reflexion über das Gute gerne mit Fragen der Logik und der Begriffsbildung beschäftigte.

Neben diesen zu unserem Betrachtungszeitpunkt bereits existierenden sokratischen Schulen entstanden aber gerade auch noch zwei weitere Schulen bzw. Bewegungen. Hierbei handelte es sich zum einen um die bereits vorher erwähnte Bewegung der pyrrhonischen Skepsis, in der Nachfolge von Pyrrhon von Elis. Dieser war von Demokrits Schule beeinflusst und lehrte, dass sicheres Wissen nicht möglich sei und wir uns daher am besten von jedem nicht praktisch ausgerichteten Wissenserwerb und Urtiel fernhalten sollten. Ethisch befürwortete er ein einfaches Leben, welches sich in schwierigen Fragen an den gegebenen Traditionen orientieren solle, da nur so sichergestellt bleibe, dass man sein Leben in Seelenruhe (griechisch „ataraxia“) leben könne. Pyrrhon’s skeptische Haltung war nicht wirklich schulbildend, der durch ihn aber gesetzte skeptische Impuls lebte noch lange in der griechischen Philosophietradition sowie darüber hinaus fort. So entwickelte sich die akademische Schule unter Arkesilaos (315 – 241 v. Chr.) sowie Karneades von Kyrene (214 – 129 v. Chr.) zeitweise stark in Richtung einer eigenständigen skeptischen Haltung (akademische Skepsis) und Pyrrho’s Denken selber wurde im 1. Jahrhundert
n. Chr. von Sextus Empiricus noch einmal aufgegriffen und zu einer eigenständigen Schule entwickelt. Neben der skeptischen Bewegung des Pyrrhon entwickelte sich durch Epikur aus Samos (341 – 271 v. Chr.) in Athen eine weitere Schule zur Zeit der Gründung der Stoa, die des Epikureismus. Epikur war ebenfalls von der Schule des Demokrit beeinflusst, was z. B. durch seine atomistische Naturphilosophie zum Ausdruck kommt. Nach seiner Meinung war das höchste Gut im Leben des Menschen die Lust, wobei er diese nicht in erster Linie in körperlicher Hinsicht interpretierte und er Luxus und Reichtum als nicht tugendhaft ablehnte. Er unterschied sich in dieser Hinsicht deutlich von den oben schon erwähnten Kyrenaikern. Epikur lebte mit seinen Schülern in Athen in einem Garten außerhalb der Stadtgrenzen Athens und empfahl sich aus den politischen Angelegenheiten der Stadt rauszuhalten. Man könnte Epikurs Schule vielleicht als erste Kommune der Geschichte bezeichnen. Epikurs Schule wurde über die Zeit ihres Bestehens zu einer der wichtigsten Gegenkräfte der Stoa im philosophischen Diskurs des hellenistischen Denkens.

Fassen wir die philosophische Situation zur Gründungszeit der Stoa zusammen, so finden wir ein komplexes Bild des philosophischen Denkens in Griechenland sowie im weiteren griechischen Kulturraum. Neben den beiden großen sokratischen Schulen der Akademie (der Schule des Platons) und des Lykeions (der Schule des Aristoteles), finden sich auch kleinere aber trotzdem in Teilen auch einflussreiche sokratische Schulen wie der Kynismus und die Kyrenaiker. Darüber hinaus entwickeln sich aber gerade auch die relativ neue Bewegung des pyrrhonischen Skeptizismus sowie die Schule des Epikurs, welche gerade erst Fahrt aufgenommen haben. Zusätzlich ist aber auch das reichhaltige Erbe der älteren Philosophieschulen Griechenlands nicht vergessen, wie wir z. B. an dem Einfluss der Schule des Leukipp und Demokrit auf die pyrrhonische Skepsis und Epikur gesehen haben.

Hinzu kommt aber auch, dass der Beginn der Stoa in die Zeit großer Umbrüche in Griechenland und dem nahen bis mittleren Osten fällt, welche, wie vorher schon kurz erwähnt, durch die Feldzüge und den frühen Tod Alexander des Großen (323 v. Chr.) ausgelöst wurden. Diese Umbrüche führten unter anderem zur Hellenisierung der antiken Welt, wodurch die griechische Kultur zur Leitkultur der Antike und Griechisch zur Lingua Franca wurde. Gleichzeitig öffnete sich hierdurch aber auch ein einheitlicher Kulturraum von bisher noch nicht dagewesener Größe, welcher von Griechenland bzw. den griechischen Kolonien im westlichen Mittelmeer bis nach Afghanistan und Indien im Osten reichte. Dieser kulturelle Rahmen bringt sicherlich auch noch einmal völlig neue Impulse für das Denken mit sich, da es sicherlich einen großen Unterschied macht, ob man seine philosophischen Gedanken in einem kleinen Stadtstaat oder aber in einem fast weltumspannenden Imperium anstellt. Ich empfinde es in dieser Hinsicht nicht als verwunderlich, dass in einer Schule, wie der Stoa, in diesem Klima zum ersten Mal auch Gedanken wie der einer weltumspannenden Gemeinschaft, einer Kosmopolis, aller Menschen aufkommen werden.

Auf Grund der geographischen Ausdehnung des Reiches Alexander des Großen ist es aber auch durchaus vorstellbar, dass Ideen und Gedanken Indiens ihren Weg bis nach Griechenland und umgekehrt fanden. Über Alexander den Großen, der selbst philosophisch gebildet und interessiert war, da, wie schon gesagt, Aristoteles sein Lehrer in frühen Jahren war, wird in diesem Kontext eine Geschichte überliefert, welche sich während seines Feldzugs in Indien zugetragen haben soll. Alexander wurde auf seinem Zug im Osten von dem Philosophen und Geschichtenschreiber Onesikritos begleitet. Onesikritos war ein Schüler des Diogenes von Sinopes (der mit der Tonne), der wiederum, wie beschrieben, ein Schüler des Kynikers Antisthenes war. Diogenes hatte Alexander vor seinen Feldzügen persönlich in Korinth getroffen, wobei dieser ihn auf die Frage, was er, Alexander für ihn tuen könnte, nur darum gebeten hatte, ihm aus der Sonne zu gehen.  Alexander war damals sehr von Diogenes philosophischen Haltung beeindruckt gewesen und es ist daher wohl auch kein Zufall, dass er einen Geschichtenschreiber gleicher philosophischer Neigung bei sich führte. Kommen wir aber zurück zu unserer Begebenheit in Indien. Hier ergab es sich, dass Alexander, während seines Indienfeldzugs davon hörte, dass in der Nähe indische Asketen lebten, sogenannte Gymnosophisten (von „gymnos“ nackt und „sophia“ Weisheit). Alexander beauftragte daraufhin Onesikritos diese Männer zu treffen und zu hören, was ihre Lehren seien. In diesem Austausch sprach Onesikritos von griechischer Seite über die Lehren des Pythagoras, Sokrates und Diogenes. Da die Gymnosophisten in der indischen Philosophie geschult waren, ist es wahrscheinlich nicht abwegig anzunehmen, dass in einer solchen Begegnung z. B. Ideen des Buddhismus, zur Sprache gekommen sind, da dieser sich in Indien bereits seit dem 6. oder 5. Jhr. vor Chr. verbreitet hatte. Einer dieser Gymnosophisten, mit Namen Kalanos, begleitete Alexander in der Nachfolge dieses Treffens in seinem Tross. Dort soll er auch, dem oben schon erwähnte Pyrrhon von Elis, dem Gründer der Bewegung der pyrrhonischen Skepsis begegnet sein und einen großen Einfluss auf diesen ausgeübt haben.

Dies ist also die Zeit, in der Zenon von Kition auf Zypern geboren wurde und im Laufe seines gut siebzigjährigen Lebens eine komplett neue philosophische Schule, die Schule der Stoa, gründete.

Die Geschichte dieses Aufbaus und die der Weiterentwicklung der Stoa soll aber Gegenstand der nachfolgenden Folgen zur Geschichte der Stoa sein. Hierbei werden wir der Entwicklung der Stoa über alle ihre Entwicklungsphasen folgen, was uns bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. zu Marc Aurel, dem römischen Philosophenkaiser, bringen wird, der bekennende Stoiker war. Die Stoa wird sich auf diesem gut 500 Jahre umspannenden Weg von einer kleinen Schule in Athen zu einer der dominierenden Geistesströmungen der Antike entwickeln. Hierbei wird sie auch drei Phasen durchlaufen. Zum einen die alte oder frühe griechische Stoa (repräsentiert vor allem durch die drei ersten Schuloberhäupter Zenon, Cleanthes und vor allem Chrysipp), die mittlere Stoa (repräsentiert durch Panaitios von Rhodos und Poseidonios) sowie die späte römische Stoa (repräsentiert durch Seneca den jüngeren, Musonius Rufus, Epiktet und Marc Aurel).

So viel aber für heute und bis bald auf dem Weg der Stoa.

Shownotes:

Wikipedia-Einträge zu vielen der genannten Personen

Der Podcast: A history of philosophy without any gaps von Peter Adamson

https://podcasts.apple.com/de/podcast/history-of-philosophy-without-any-gaps/id396903391

sowie die Verschriftlichung dieses Podcast in den beiden Büchern von Peter Adams:

Classical Philosophy – Volume 1, Oxford University Press, 2014

Philosophy in the Hellenistic & Roman Worlds – Volume 2, Oxford University Press, 2015

Emile Brehier, The history of philosophy, The Hellenistic & Roman Age, The University of Chicago Press, 1965